Online-Casino muss trotz deutscher Lizenz Verluste zurückzahlen

Spielerschutz im Fokus von Staaten bei Online-Casinos

Mit 1. Juli 2021 begann für Deutschlands Glücksspiellandschaft eine neue Ära. Mit der Beschlussfassung des deutschen Glücksspielstaatsvertrags in seiner aktuellen Fassung endete ein Streit, der mehr als zehn Jahre lang die Branche in Atem gehalten hatte. Wichtigste Neuerung: der Spielerschutz wird verstärkt in den Fokus genommen.

Zwischenzeitlich hatte sich mit Schleswig-Holstein sogar vom Konsens der deutschen Bundesländer „abgespalten“ und ein eigenes Gesetz auf den Weg gebracht. Doch seit 2021 scheint die Situation befriedet zu sein, selbst die EU-Kommission, die Deutschland jahrelang wegen seiner Gesetzgebung gerügt hatte, war zufrieden.

Öffnung der Märkte brachte verstärkte Konkurrenz

Mit der Beschlussfassung öffnete Deutschland seinen Glücksspielmarkt für ausländische Anbieter, setzte jedoch gleichzeitig strengere Spielerschutzmaßnahmen um. Seither kann jeder Anbieter, der sich an die Regeln hält, um eine Lizenz nach dem Glücksspielstaatsvertrag ansuchen und seine Casinospiele und Sportwetten in Deutschland anbieten. Doch die Vorgaben sind streng, das musste jetzt auch einer der bekanntesten Anbieter des Landes erfahren.

Verstöße gegen Bestimmungen zum Spielerschutz

Das Landgericht Stendal verurteilte Tipico zur Rückzahlung von Verlusten in Höhe von 54.000 Euro an einen Spieler, die dieser bei Sportwetten verloren hatte. Das Urteil erregte deshalb so viel Aufsehen, weil Tipico bereits seit Oktober 2020 über eine gültige deutsche Lizenz verfügt und die Verluste in diesem Zeitraum fielen. 

Die logische Konsequenz aus diesem Urteil ist, dass das Unternehmen gegen die Bestimmungen des deutschen Glücksspielstaatsvertrags verstoßen hat und jetzt die Konsequenzen tragen muss. Das Gericht kritisierte Verstöße gegen zwingende Vorgaben des deutschen Spielerschutzes. Konkret ging es dabei um das monatliche Einsatzlimit und die Pflicht zur Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Kunden. 

Erstes Urteil gegen Lizenzinhaber

Dieses Urteil wird Konsequenzen haben, schließlich trifft es einen konzessionierten Anbieter. Doch wenn die Vorgaben des Gesetzgebers nicht eingehalten werden, kann auch dies zur Rückzahlung von Verlusten führen. Das kannte man bisher nur von Glücksspielunternehmen, die ohne gültige Lizenz am Markt auftreten.

Das Internet hat Ländergrenzen obsolet gemacht, entsprechend groß ist der Schwarzmarkt. Zwar verfügen diese Anbieter zumeist über Lizenzen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten, doch diese werden in Ländern wie Deutschland nicht anerkannt. Dabei hilft es auch nicht, dass die Betreiber freiwillig Steuern an den Staat abführen, sie gelten weiterhin offiziell als illegal.

Online-Casinos im Ausland bieten ihren Kunden zumeist bessere Auszahlungsbedingungen und Zahlungsoptionen. So haben sich beispielsweise auch Kryptowährungen als alternative Zahlungsmethode durchgesetzt und ermöglichen so den Spielern, ihre bevorzugte Zahlungsoption zu nutzen. Noch deutlicher wird der Unterschied bei den Casinospielen selbst. Hier schränkt der deutsche Glücksspielstaatsvertrag seine Lizenznehmer deutlich ein, was dem Schwarzmarkt unüberwindbare Vorteile verschafft.

Doch anders als derzeit in Österreich trifft das Urteil der Justiz diesmal nicht illegale Anbieter, sondern einen mit offizieller Lizenz. Damit demonstrierte das Gericht, wie wichtig Spielerschutz in Deutschland ist. Wer gegen wesentliche Auflagen nach Erteilung der Lizenz verstößt, muss also in Zukunft damit rechnen, zur Verantwortung gezogen zu werden. 

Limit überschritten, kein Nachweis über Finanzlage

Der Kläger hatte im betreffenden Zeitraum offenbar das Einzahlungslimit von 1.000 Euro pro Monat, das auch im Gesetz steht, deutlich überschritten. Dieser Verstoß kostet Tipico jetzt 54.000 Euro, also jene Summe, die der Spieler bei Sportwetten verloren hatte. Das Gericht konzentrierte sich in seiner Beurteilung des Falls auf die Verpflichtung des Anbieters, den Spieler zur Selbstbeschränkung aufzufordern. 

Gleichzeitig hätte Tipico dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit prüfen müssen, als dieser die Limits überschritt. Diese Möglichkeit ist zwar grundsätzlich vorgesehen, setzt aber einen entsprechenden finanziellen Background des Kunden voraus. Diesen hätte Tipico vorher überprüfen müssen. 

Das Gericht stellt fest, dass dies nicht passiert war, daher lag der Fall klar. Laut Angaben des Klägers reichte das „Drücken einiger Knöpfe aus“, um das Limit hinaufzusetzen. Er musste in Folge auch keine Unterlagen über seine finanziellen Verhältnisse vorlegen. Damit sah das Gericht die Pflichtverletzung als gegeben an und verurteilte den beklagten Anbieter. Gleichzeitig hielt das Gericht fest, dass eine Limit-Überschreitung, die zwar laut Konzession unter Auflagen möglich wäre, den Betreiber nicht von seiner Schutzpflicht entbinde. Das Urteil zeigt, dass die Konzession einen Lizenznehmer nicht vor zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen schützt.

Was bringt die Zukunft?

Für die Zukunft eröffnet sich daher für Spieler ein neuer Weg. Die deutsche Lizenz nach dem Glücksspielstaatsvertrag ist ganz offensichtlich kein Freifahrtschein, vorwiegend dann, wenn die gesetzlichen und lizenzrechtlichen Pflichten nicht beachtet wurden. Was zählt, ist nicht die Erlaubnis, sondern die Einhaltung jener Pflichten, die Lizenznehmer bei Erteilung einer Konzession treffen. 

Gut möglich, dass dieser Fall weitere Konsequenzen nach sich zieht. Immerhin sieht der deutsche Glücksspielstaatsvertrag eine Evaluierung vor, die bis zum Jahr 2026 abgeschlossen sein muss. Gleichzeitig hat die gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder, die für die Lizenzvergabe und Aufsicht zuständig ist, mittlerweile viel Erfahrung gesammelt. Diese soll und wird voraussichtlich in eine mögliche Reform des Gesetzeswerks einfließen. 

Schließlich gibt es seit Jahren Kritik an der zu engen Ausgestaltung der Angebote im Netz, die einzelne Bundesländer wie Bayern mittlerweile durch eigene neue Online-Anbieter umgehen und so den lizenzierten Firmen Konkurrenz machen. Es liegt also jetzt an den deutschen Bundesländern, die richtigen Schlüsse aus den Erfahrungen der letzten Jahre zu ziehen und in eine Neufassung des deutschen Glücksspielvertrages einfließen zu lassen. Die Wirtschaft des Staates profitiert jedenfalls von zusätzlichen Steuereinnahmen.  

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