Russland Wirtschaft: Was muss man wissen?

Russlands Wirtschaft vor und nach dem Ukraine-Krieg

Russlands Wirtschaft wirkt nach außen stabil, steht aber seit dem Krieg gegen die Ukraine unter massivem Umbau hin zu einer Kriegsökonomie mit wachsender politischer Kontrolle und langfristigen Strukturproblemen.

Einleitung

Die Wirtschaft in Russland hat seit dem Angriff auf die Ukraine Anfang 2022 einen radikalen Kurswechsel erlebt. Statt des früheren, stark rohstoffgetriebenen Modells dominiert heute eine Kriegswirtschaft, in der Militärausgaben, Rüstungsproduktion und innere Sicherheit große Teile des Staatshaushalts bestimmen. Gleichzeitig bleibt Russland ein wichtiges Energieexportland und wird von vielen Indikatoren weiterhin als Hochlohnland mit hoher Industriequote geführt.

Trotz westlichen Sanktionen gegen Russland, dem Rückzug zahlreicher internationaler Konzerne und eines Einbruchs im Handel mit Europa ist das Bruttoinlandsprodukt Russlands nach dem ersten Schock nicht kollabiert. Nach einem Rückgang im Jahr 2022 folgten Wachstumsjahre 2023 und 2024, angetrieben von staatlichen Kriegsaufträgen und höheren Löhnen bei Arbeitskräftemangel. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ist jedoch ungleichgewichtig und anfällig.

Ein Friedensvertrag zwischen Russland und der Ukraine existiert aktuell nicht. Es gibt weit fortgeschrittene internationale Verhandlungsbemühungen, aber keine Einigung über territoriale Fragen oder Sanktionen. Für die russische Volkswirtschaft ist deshalb entscheidend, wie ein möglicher Frieden ausgestaltet wäre und ob er zu Lockerungen der Sanktionen führt.

Die Struktur der russischen Wirtschaft vor dem Krieg

Vor dem Angriff auf die Ukraine war die russische Wirtschaft durch drei Merkmale geprägt. Erstens die starke Abhängigkeit von Erdöl und Gasexporten. Zweitens ein hoher Staatsanteil mit dominierenden Konzernen im Besitz des russischen Staates oder kremlnaher Akteure. Drittens eine nur langsam wachsende Produktivität in vielen nicht rohstoffbasierten Branchen.

Energie bildete den Kern des Modells. Öl und Gas stellten einen erheblichen Anteil der Staatseinnahmen und der Exporterlöse. Die Budgetstruktur war eng an den Ölpreis in US-Dollar gekoppelt, etwa über die Haushaltsregel, die zusätzliche Einnahmen in den Staatsfonds umleitete. Die Währungsreserven der russischen Zentralbank dienten als Puffer gegen Preis und Wechselkursschwankungen.

Zudem war Russland ein industriell geprägtes Land mit einem hohen Anteil von Industrie und Bau am BIP. 2023 wurde Russland erneut in die Kategorie der Länder mit hohem Einkommen eingestuft. Trotz solider Durchschnittslöhne blieb die Investitionsquote niedrig. Faktoren wie eine alternde Bevölkerung, geringe Innovationskraft und Abhängigkeit von Importtechnologien begrenzten das strukturelle Wachstum.

Vom Rohstoffmodell zur Kriegswirtschaft seit 2022

Der Krieg gegen die Ukraine und die Sanktionen seit 2022 führten zu einer drastischen Umstellung. Viele westliche Unternehmen zogen sich aus Moskau und anderen Wirtschaftsregionen zurück. Der Staat übernahm Beteiligungen oder lenkte Geschäfte neu. Das stärkte die politische Kontrolle über Schlüsselbranchen.

Parallel entstand eine Kriegswirtschaft. Militärausgaben stiegen massiv und machten rund sieben Prozent des BIP aus. Der Anteil am Haushalt liegt deutlich höher, da weitere Sicherheitsausgaben hinzukommen. Ein großer Teil des Budgets fließt in Streitkräfte, Waffenproduktion und innere Sicherheit.

Studien sprechen von einem Kriegsboom. Staatliche Nachfrage treibt Bauwirtschaft, Maschinenbau und Dienstleistungen. Einkommen in militärnahen Regionen steigen. Gleichzeitig entsteht ein Arbeitskräftemangel, da viele Männer an die Front mobilisiert wurden und gut qualifizierte Fachkräfte das Land verlassen haben.

Wie hat sich die russische Wirtschaft seit 2022 verändert

Nach Kriegsbeginn sank das BIP 2022 deutlich, jedoch weniger stark als erwartet. Schützende Maßnahmen, hohe Staatsausgaben und Umleitungen von Handelsströmen stabilisierten das System.

Bereits 2023 kehrte Wachstum zurück, getragen von der Rüstungsindustrie, Bauprojekten und staatlichen Aufträgen. 2024 beschleunigte sich das Wachstum weiter. Die zivile Wirtschaft blieb jedoch hinter den militärnahen Sektoren zurück.

Für das Jahr 2025 erwarten internationale Institutionen ein Wachstum von rund einem Prozent. Der Boom stößt an Kapazitätsgrenzen. Hohe Zinsen belasten die private Wirtschaft, während Versorgungsengpässe und Arbeitskräftemangel zunehmen. Damit hat Russland zwar keine tiefe Rezession erlebt, doch das Wachstum ruht fast ausschließlich auf staatlich induzierter Nachfrage aus dem Militärsektor.

Sanktionen, Handelsströme und die Rolle des Rubel

Die westlichen Sanktionen setzen an Finanzsektor, Technologieimport, Energieexport und am Zugang zu Kapitalmärkten an. Ein erheblicher Teil der Devisenreserven der russischen Zentralbank ist eingefroren. Gleichzeitig beschränken Exportkontrollen den Zugang zu Maschinen, Software und Halbleitern.

Auf der Exportseite verlor Russland weite Teile seines europäischen Gasmarktes. Warenexporte gingen zeitweise stark zurück, während Importe zunahmen. Ursache sind teurere Handelswege, neue Zwischenhändler und eine stärkere Ausrichtung auf China, Indien und die Türkei.

Trotz Sanktionen bleibt der Energiesektor stabil genug, um den Staat zu finanzieren. Öl bleibt die wichtigste Einnahmequelle, allerdings mit Abschlägen gegenüber Weltmarktpreisen. Für 2025 deutet sich ein Rückgang der Öl und Gaseinnahmen an, da Rabatte steigen und die Preise schwanken.

Wie stabil ist der Rubel wirklich

Der Rubel geriet 2022 unter massiven Druck. Die Regierung reagierte mit Kapitalverkehrskontrollen und einer drastischen Anhebung des Leitzinses. Der Zinssatz erreichte zeitweise über zwanzig Prozent.

Aktuell liegt der Leitzins bei rund 16,5 Prozent. Die Inflation liegt deutlich über dem Ziel von vier Prozent. Der Rubel wirkt nur stabil, weil der Markt stark reguliert ist. Große Einzeltransaktionen bewegen den Kurs erheblich. Die Abhängigkeit von staatlichen Eingriffen bleibt hoch.

Für Unternehmen bedeutet dies teure Kredite und Unsicherheit. Der Staat finanziert die Kriegsindustrie weitgehend unabhängig vom Markt, während private Firmen unter den hohen Zinsen leiden.

Arbeitskräftemangel, Demografie und Binnenwirtschaft

Die russische Bevölkerung spürt die Auswirkungen des Krieges direkt. Viele Männer sind dauerhaft im Militärdienst oder verletzt. Hinzu kommen mehrere Auswanderungswellen seit 2022, vor allem gut qualifizierter Arbeitskräfte. Die ohnehin ungünstige Demografie verstärkt den strukturellen Mangel an Arbeitskräften.

Der Arbeitskräftemangel treibt die Löhne, besonders in Industriezweigen und im Bau. Das stützt vorübergehend den Konsum, heizt jedoch die Inflationsrate an. Branchen, die nicht von Militärausgaben profitieren, geraten unter Druck und müssen höhere Kosten tragen, ohne entsprechende Umsatzsteigerungen zu erzielen.

Langfristig begrenzt die schrumpfende Erwerbsbevölkerung das Wachstum. Selbst bei hohen Investitionen und Innovationen kann die demografische Entwicklung das Potenzialwachstum senken. Der Kriegsboom verschleiert diese Risiken vorübergehend, doch sie treten nach einer möglichen Demobilisierung stärker hervor.

Welche Branchen gewinnen, welche verlieren

Gewinner sind Unternehmen, die in die Rüstungsproduktion eingebunden sind. Dazu gehören Metallverarbeitung, Maschinenbau, Elektronik, Optik und bestimmte Chemiebereiche. Sie profitieren von hoher Auslastung, staatlicher Finanzierung und steigenden Löhnen.

Verlierer sind importabhängige Branchen und solche mit enger Vernetzung zum Westen. Die Automobilindustrie leidet unter fehlenden Komponenten und dem Rückzug internationaler Hersteller. Luftfahrtunternehmen müssen Maschinen mit eingeschränktem Zugang zu Ersatzteilen betreiben. Der Technologiesektor stößt an Grenzen beim Zugang zu Hard und Software. Auch der Finanzsektor verliert internationales Geschäft.

Der Rückzug westlicher Unternehmen verstärkt die Machtkonzentration im Umfeld des Kreml. Wettbewerb sinkt, Innovation wird gehemmt und Marktrisiken steigen.

Staatsfinanzen, Kriegshaushalt und Steuerpolitik

Die Staatsfinanzen zeigen ein klares Bild. Militärausgaben machen rund sieben Prozent des BIP aus und einen hohen Anteil des Haushalts. Mit den Ausgaben für innere Sicherheit zusammen entfallen nahezu vierzig Prozent des Budgets auf kriegsnahe Bereiche.

Ein Teil des Krieges wird über Defizite und den Staatsfonds finanziert. Die Einnahmen aus Öl und Gas bleiben zentral, gehen jedoch zurück. Der Staat reagiert mit Steuererhöhungen für Energieunternehmen und Gesprächen über eine Anhebung der Mehrwertsteuer.

Die Kombination aus hohen Militärausgaben, sinkenden Energieeinnahmen und begrenzten Investitionen in zivile Bereiche erhöht langfristig das Risiko struktureller Schwäche.

Wie reagiert die russische Zentralbank auf Inflation und Kredit

Die russische Zentralbank verfolgt ein Inflationsziel von vier Prozent, liegt aber seit Jahren deutlich darüber. Ohne hohe Zinsen würde die Inflation steigen, da Löhne und staatliche Ausgaben die Nachfrage weiter antreiben.

Die Zinspolitik bremst die zivile Wirtschaft. Rüstungsaufträge bleiben hingegen unberührt, weil sie budgetfinanziert sind. Hohe Zinsen verstärken daher die strukturelle Verschiebung zugunsten der Kriegsindustrie. Kleine und mittlere Unternehmen leiden besonders.

Szenarien nach einem möglichen Friedensvertrag

Ausgangslage: Noch kein Friedensvertrag

Ende 2025 gibt es keinen Friedensvertrag zwischen Russland und der Ukraine. Internationale Vermittlungsversuche laufen, doch territoriale und sicherheitspolitische Fragen bleiben ungeklärt.

Für die Russland Wirtschaft bedeutet das: Aussagen zu möglichen Auswirkungen eines Friedens sind Szenarien. Sie hängen von politischen Kompromissen, territorialen Zugeständnissen und Sanktionsregelungen ab.

Was würde ein Friedensvertrag für die russische Wirtschaft bedeuten?

Ein Friedensvertrag würde die Kriegswirtschaft kurzfristig schwächen. Rüstungsaufträge und Sicherheitsausgaben würden sinken. Regionen mit starker Militärproduktion könnten Arbeitsplätze verlieren. Das BIP könnte stagnieren oder langsamer wachsen.

Gleichzeitig könnte ein stabiler Frieden Risikoprämien senken. Das würde Zinsen reduzieren, Investitionen erleichtern und die Zentralbank entlasten. Die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Militärsektor könnte sinken.

Ob westliche Sanktionen gelockert würden, hängt vom Inhalt des Vertrags ab. Eine klare territoriale Regelung und internationale Garantien könnten schrittweise Öffnungen ermöglichen. Bleibt der Konflikt eingefroren, bleiben auch die Sanktionen weitgehend bestehen.

Welche Chancen und Risiken hätte die russische Bevölkerung?

Für die Bevölkerung könnte ein Frieden Vorteile bringen. Die Belastung durch Mobilisierung würde sinken. Der Staat könnte Mittel in Bildung, Gesundheit und Infrastruktur umlenken.

Risiken bestehen beim Übergang von der Kriegswirtschaft zur Friedensökonomie. Ein abruptes Auslaufen von Rüstungsaufträgen kann zu regionaler Arbeitslosigkeit führen. Ohne Umschulungen und Investitionen steigt die soziale Spannung.

Drei strategische Fragen für die Zeit nach dem Krieg

Drei Fragen bestimmen die langfristige Entwicklung.

Erstens: Bleibt Russland vom Westen entkoppelt oder findet eine selektive Reintegration statt? Eine dauerhafte Abkopplung schwächt Produktivität und Zugang zu Technologie.

Zweitens: Wie stark reduziert der Staat seine Militärausgaben? Bleiben Sicherheit und Verteidigung dominant, bleibt wenig Raum für Zukunftsinvestitionen.

Drittens: Gelingt es, den Arbeitskräftemangel durch Produktivitätssteigerungen und moderat gesteuerte Migration zu mildern? Ohne tiefgreifende Reformen drohen Stagnation und Ungleichheit.

Kernfakten im Überblick

AspektStand 2025Einordnung
BIP und WachstumRückgang 2022, starkes Wachstum 2023 und 2024, niedriges Plus 2025Wachstum kriegsgetrieben und unausgewogen
Staatsfinanzen und MilitärausgabenHohe Ausgaben für Militär und SicherheitHaushalt stark vom Krieg dominiert
Struktur der VolkswirtschaftHohe Energieabhängigkeit, Arbeitskräftemangel, eingeschränkter Zugang zu TechnologieLangfristige Risiken trotz kurzfristiger Stabilität

Fazit

Die Russland Wirtschaft präsentiert sich 2025 stabiler, als viele Beobachter nach Beginn des Krieges erwartet hatten. Hinter dieser Stabilität steht jedoch ein Modell, das stark von militärischen Ausgaben, staatlicher Lenkung und der politischen Architektur unter Wladimir Putin geprägt ist. Ein erheblicher Teil des Wachstums basiert auf Investitionen des Staates in Höhe von vielen Milliarden Euro, die vor allem in Rüstungsindustrie, Sicherheit und Infrastruktur mit direktem Nutzen für Putins Machtapparat fließen. Diese Mittel verschaffen kurzfristige Impulse, verändern aber nicht die strukturellen Schwächen einer Volkswirtschaft, die ohne technologische Modernisierung und ohne produktivitätsgetriebene Innovationen kaum nachhaltige Dynamik entfalten kann.

Gleichzeitig zeigt sich in zahlreichen Kennziffern, wie eng ökonomische Entscheidungen mit den strategischen Prioritäten von Putin verbunden sind. Die Kombination aus hohen Zinsen, sinkendem Zugang zu westlichen Technologien und einer alternden Bevölkerung führt dazu, dass die Kriegswirtschaft nur begrenzt tragfähig ist. Selbst wenn der Staat weitere Mittel in dreistelliger Billion Rubel Höhe mobilisiert, bleibt die Abhängigkeit von Energieexporten und militärischen Aufträgen bestehen. Ein dauerhafter Übergang zu einer stabilen Friedensökonomie ist ohne Investitionsprogramme, Modernisierungsschübe und internationale Öffnung kaum realistisch.

Ein möglicher Friedensvertrag würde der Wirtschaft grundsätzlich neue Chancen eröffnen. Er könnte Belastungen mindern, Risiken senken und das Investitionsumfeld verbessern. Gleichzeitig müsste die Führung in Moskau entscheiden, ob sie bereit ist, die Kriegslogik schrittweise zurückzufahren. Für Deutschland und Österreich bleibt entscheidend, die wirtschaftliche Entwicklung Russlands nicht isoliert zu betrachten. Erst im Zusammenspiel von Staatsfinanzen, Energiepreisen, Sanktionen und der politischen Ausrichtung unter Putin lässt sich erkennen, wohin sich die russische Wirtschaft in den kommenden Jahren tatsächlich bewegt.

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