Ob Maschinenbau, Metall-, Elektro- oder Automobilindustrie – der produzierende Mittelstand war lange Zeit Garant für Stabilität und Fortschritt in der deutschen Wirtschaft. Mittlerweile stehen die meisten KMU allerdings stark unter Druck, denn neben dem anhaltenden Fachkräftemangel, machen auch steigende Material- und Personalkosten sowie Lieferengpässe zunehmend mehr Unternehmen zu schaffen. Angesichts der aktuellen Entwicklung stellt sich die durchaus berechtigte Frage, ob sich der deutsche Mittelstand noch in einer nicht enden wollenden Krise befindet oder bereits kurz vor dem Kollaps steht.
Vom IMD-Rang 6 auf 19 – Mittelstand in der Krise
Seit 2016 ist der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung in Deutschland von knapp 23 % auf 19,7 % im vergangenen Jahr 2024 gesunken, und damit auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik. Während Deutschland 2014 noch Platz 6 im internationalen Wettbewerbsranking des Institute for Management Development (IMD) belegte, befindet sich das Land mittlerweile auf Rang 19.
Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig, wenn auch nicht so vielfältig wie die verpassten Chancen der Politik der vergangenen Jahre, Veränderungen zu bewirken. Zu den größten Problemen und Herausforderungen zählen insbesondere:
Fachkräftemangel
Nach wie vor ist der Fachkräftemangel eine der größten Hürden für Mittelständler. Fast 60 % aller KMU erwarten in den kommenden 5 Jahren keine Verbesserungen. In der Folge kommt es zwangsläufig zu weniger Auftragsannahmen, Reduktion der Produktion oder auch der Aufgabe von ganzen Standorten.
Steigende Energiepreise
Günstige Energie ist für produzierende Unternehmen unabdingbar und machen häufig 20 bis 40 % der Gesamtkosten der Produktionskosten aus. Durch politische Entscheidungen zahlen Unternehmen in Deutschland mittlerweile die im internationalen Vergleich mit am höchsten Strompreise, Abwanderungen und weniger Neuansiedlung ist vorprogrammiert.
Überwuchernde Bürokratie
Seit Jahren nimmt der bürokratische Aufwand, den Unternehmen durch Regulierungen, Formulare und Genehmigungsverfahren bewältigen müssen, zu. Insbesondere die endlosen Berichtspflichten, von der Umsatzsteuervoranmeldung, über E-Rechnungsregelungen, bis hin zu EU-Richtlinien und Nachhaltigkeitsberichten, werden von den meisten Unternehmen als überfordernd kritisiert, was den Standort Deutschland als Ganzes schwächt.
Hohe Löhne und Kostensteigerungen
Bereits jetzt entfallen zwischen 15 und 30 % der Gesamtkosten von Unternehmen auf Lohn- und Sozialversicherungskosten, weitere Erhöhungen sind nicht auszuschließen. Andere Länder bieten Unternehmen sehr viel bessere Rahmenbedingungen bezüglich Lohnstrukturen, was deutsche Mittelständler im internationalen Wettbewerb benachteiligt.
Produzierender Mittelstand in Gefahr: Rekordpleiten 2025
Der Rückgang des produzierenden Gewerbes und des IMD-Rankings bedeutet für Unternehmen sinkende Wettbewerbsfähigkeit, mehr Abwanderungen und steigende Firmenauflösungen. Darüber hinaus tragen auch eine überbordende Bürokratie und eine in immer mehr Teilen Deutschlands zerbröckelnde Infrastruktur nicht gerade dazu bei, dass sich neue Unternehmen hierzulande ansiedeln und in den Standort investieren. Das hat dramatische Auswirkungen:
Die Anzahl der Insolvenzen und Firmenauflösungen befindet sich 2025 auf dem höchsten Stand seit 2011. In Zahlen sind das 11.900 Fälle, die die Creditreform Wirtschaftsforschung im laufenden Jahr registriert hat, was einem Anstieg von 9 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht. Auch immer mehr Unternehmen aus dem produzierenden Mittelstand sehen sich gezwungen, einen Partner für die Firmenauflösung finden zu müssen, um die finanziellen Schäden so gering wie möglich zu halten.
Herbst der Reformen? Warum Prognosen weiter sinken
Der Handlungsbedarf für die Politik ist groß, und das nicht erst seit gestern. Um einen Richtungswechsel einzuleiten und die Abwärtsspirale endlich zu durchbrechen, braucht es mehr als kurzfristige Konjunkturpakete und auf Kosten der nächsten Generationen aufgenommene Schulden. Nachdem Mitte des Jahres noch ein „Herbst der Reformen“ angekündigt wurde, haben Experten ihre ohnehin schon schlechten Prognosen für die deutsche Wirtschaft kürzlich noch einmal gesenkt. Die aus dem Sondervermögen geplanten Investitionen in die Infrastruktur würden nur verzögert wirken und ohne weitere Maßnahmen keinesfalls dazu beitragen, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken und die Produktionskapazitäten auszuweiten.
Neben Investitionen in Infrastruktur müssen vor allem auch massive Investitionen in Bildung getätigt werden, denn die Bildungslandschaft in Deutschland ist ebenfalls in einer massiven Krise. Um den Fachkräftemangel in den kommenden Jahren zu bewältigen, kann man sich nicht ausschließlich auf das Anwerben qualifizierter Facharbeiter aus dem Ausland konzentrieren, die dann wiederum ihren Herkunftsländern entzogen werden.
Fazit
Die wachsende Sorge um den Wirtschaftsstandort Deutschland ist keinesfalls unbegründet und nahezu jedes Unternehmen, unabhängig von der Branche, muss große Herausforderungen bewältigen, um zu bestehen und seine Marktposition langfristig zu sichern. Die Wirtschaft erwartet nach wie vor effektive Reformen, auch im Bereich Digitalisierung und KI – wie lange sie noch dazu bereit ist, bleibt abzuwarten. Wenn sich im kommenden Jahr nicht grundlegende Verbesserungen bemerkbar machen, ist ein Kollaps nicht auszuschließen.
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